Chipproduktion weltweit
Welche globalen Abhängigkeiten gibt es und wo finden Transformationen statt?
Die globalen Ereignisse und Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit haben die Halbleiterindustrie und ihre Abnehmer stark gebeutelt. Staaten bzw. Standorte sind durch die Globalisierung voneinander abhängig. Doch es gibt Gegenbewegungen. Wie sehen diese aus? Und wie erfolgversprechend sind sie?
Globalisierung – das Pendel schlägt zurück
Im Zusammenhang mit Lieferketten macht sich gerade überall mehr Eigenständigkeit breit – in Europa und den USA, in Indonesien, in Asien und besonders ausgeprägt im Reich der Mitte. Die Globalisierung erfährt eine Schubumkehr. In ihrer momentanen Verunsicherung fordern jetzt immer mehr Unternehmen regulierende politische Rahmenbedingungen. So wird etwa der Ruf nach gemeinsamen Produktionsstandards oder dem Zugang zu wichtigen Rohstoffen wie seltenen Erden lauter. Die Märkte reagieren mit Trends in Richtung Diversifizierung ihrer Zulieferer und Autarkie. Teils mit hohen Investitionen in ortsnahe eigene Standorte und Hightech-Produktionsstätten für moderne Halbleiterchips und zukunftssichere Technologien.
„European Chips Act“
Halbleiter werden derzeit zu einem großen Teil in Taiwan, China und Südkorea hergestellt. Mit 26 Prozent Anteil am globalen Chip-Umsatz ist Taiwan der Schlüssel-Standort für die weltweite Chipproduktion. Der „European Chips Act“ soll europäische Firmen unabhängiger von Chipherstellern in Asien machen. Diese massive Förderung der Halbleiterproduktion in Europa will sich die EU rund 43 Milliarden Euro kosten lassen, zusammengesetzt aus staatlichen und privaten Investitionen. Erklärtes Ziel ist es, den EU-Marktanteil an der weltweiten Chipproduktion bis 2030 auf ein Fünftel zu verdoppeln. In einem Weltmarkt, der sich bis 2030 voraussichtlich verdoppeln wird, kommt das einer Vervierfachung der Produktion gleich.
Durch die Regelung des European Chips Act will die EU es ihren Mitgliedsstaaten erleichtern, in Werke zu investieren, die innovative Produkte herstellen. Dafür sieht die EU-Kommission elf Milliarden Euro an Subventionen allein für die Forschung an Chips vor. Weitere über 30 Milliarden Euro sollen durch die Genehmigung von Beihilfen der Mitgliedsländer für Unternehmen in diesem Sektor hinzukommen. Mitgefördert wird damit auch die Ansiedlung ausländischer Konzerne. So hat etwa der US-Chiphersteller Intel angekündigt, in Europa massiv investieren zu wollen. Auch Chipkonzerne wie TSMC und GlobalWafers suchen bereits nach Standorten in Europa.
Transform
Die Produktion hochwertiger und leistungsfähiger Chips entscheidet darüber, wer bei Zukunftstechnologien führen wird. Hier muss Europa gegenüber den USA und Taiwan noch aufholen. Während europäische Hersteller bei Leistungs-ICs die Nase vorn haben, spielen sie bei Logikchips nur eine untergeordnete Rolle. Neue Technologien auf Basis von Siliziumkarbid (SiC) beispielsweise und die entsprechenden elektronischen Bauelemente stehen für eine energieeffiziente Wirtschaft in zahlreichen Schlüssel-Applikationen wie der Elektromobilität, der Erzeugung erneuerbarer Energien sowie Edge und Cloud-Computing mit den dafür erforderlichen Rechenzentren. Doch die Lieferketten europäischer Unternehmen sind hier an zahlreichen Stellen von internationalen Märkten abhängig. Noch.
Ein europäisches Konsortium mit der Bezeichnung Trusted European SiC Value Chain for a greener Economy („Transform“) will eine resiliente europäische Lieferkette für diese Technologien aufbauen. In zahlreichen elektronischen Systemen steuert Leistungselektronik die Schaltvorgänge der vorhandenen Energie und sorgt dafür, dass diese möglichst effizient genutzt wird. Sogenannte Leistungshalbleiter stellen dabei sicher, dass die Leistungselektronik besonders energieeffizient operiert. Daran arbeiten in dem öffentlich geförderten Projekt insgesamt 34 Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen aus sieben europäischen Staaten unter der Leitung von Konsortialführer Bosch.
Intel – neue Chipfabriken in Magdeburg
In einem Prestigeprojekt will der weltweit größte Chiphersteller Intel für 17 Milliarden Euro in Magdeburg zwei Halbleiterfabriken bauen. Für die kommenden Jahre seien nach Angaben des kalifornischen Konzerns bis zu sechs weitere Fabs an europäischen Standorten geplant. Insgesamt sollen in Europa zunächst 33 Milliarden Euro fließen. Intel befindet sich mitten in der aktuellen Chipkrise auf einem nie da gewesenen Expansionskurs, um den größten globalen Auftragsfertigern TSMC und Samsung mehr Konkurrenz zu machen.
Die USA und China
Auch die USA und China, von denen Europa hofft, durch den European Chips Act nicht abgehängt zu werden, investieren sehr viel Geld in diesen Industriezweig. Während die EU-Kommission, was die US-Pläne angeht, mit Zuweisungen von rund 45 Milliarden Euro rechnet, investiert China geschätzte 150 Milliarden Euro bis Ende dieses Jahrzehnts. Dabei spornen die Sanktionen der US-Regierung u. a. gegen Huawei, die Chinas Hightech-Industrie eigentlich empfindlich treffen sollen, die Volksrepublik allem Anschein nach kräftig an, die eigene Halbleiterindustrie stärker als zuvor zu entwickeln. Laut der für gewöhnlich als sehr China-kritisch bekannten Nachrichtenagentur Bloomberg kommen 19 der 20 am schnellsten wachsenden Unternehmen der globalen Halbleiterindustrie aus China. Und unter den zehn größten Foundries sind mittlerweile drei chinesische Hersteller.
Der Chips for America Act
Wie viel Bewegung in der Branche ist, zeigt das US-amerikanische Pendant zur europäischen Initiative: der „Creating Helpful Incentives to Produce Semiconductors for America Act“ (Chips for America Act, kurz: Chips Act). Ein Gesetz für mehr Halbleiter „made in America“. Die 20 Milliarden US-Dollar schwere Gesetzesinitiative der US-Regierung soll die Halbleiterfertiger dazu bewegen, ihre Chipproduktion wieder zurück in die USA zu verlagern, Forschung und Entwicklung zu finanzieren und die Lieferketten für moderne High-End-Technologien zu sichern.
Ausblick
Weltweit bauen Halbleiterhersteller Produktionskapazitäten massiv aus. Trotz der steigenden Nachfrage nach leistungsfähigen Mikrochips und aller Bestrebungen nach unabhängigen und resilienten Lieferketten ziehen wieder erste Wolken am Halbleiter-Himmel auf. Zwar klagt die Branche aktuell noch eher über Chipmangel in der Auto- und Consumer-Elektronik-Industrie. Aufgrund von hohen Inflationsraten und einer anstehenden Rezession warnen Analysten jedoch seit Monaten vor signifikanten Überkapazitäten in der Halbleiterproduktion – bereits in 2023 mit drastischen Konsequenzen für den globalen Chipmarkt.
In den kommenden zehn Jahren werden laut Berichten in den chinesischen Fachmedien weltweit mehr als 700 Milliarden US-Dollar in den Bereich Halbleiterfertigung investiert werden. Die Erfahrung der Vergangenheit habe gezeigt, dass zu viel Kapitaleinsatz oftmals zu Überkapazitäten führt. Hier fallen die zunehmende Rezession und die beschleunigte globale Verfügbarkeit neuer Kapazitäten denkbar ungünstig zusammen. Die Lunte für den mittlerweile 17. Abwärtszyklus der Halbleiter-Branche, schenkt man ihnen Glauben, brenne bereits.
(Inhouse-Text)
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