KI: Segen oder Untergang?
In den kommenden Jahrzehnten wird Künstliche Intelligenz grundlegende gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Transformationen initiieren. Welche Chancen und Risiken ergeben sich daraus?
ChatGPT & Co.
Neben Programmen wie Googles Brad, Bing von Microsoft oder Jasper (früher Jarvis) gehört ChatGPT des US-amerikanischen Unternehmens OpenAI zu den aufsehenerregendsten Tools in der jüngeren Evolution Künstlicher Intelligenz. Im Kern des Chatbots („Chat Generative Pre-trained Transformer“) steht sein Sprachmodell GPT (Transformer-Modell), auf dem die KI basiert und das OpenAI mit Unmengen an Daten trainiert. Es versteht durch maschinelles Lernen und mit Hilfe neuronaler Netze menschliche Eingaben und transformiert diese in echt anmutende Bilder oder „gut klingende“ Musik.
So spuckt ChatGPT auch Texte aus, von der Produktbeschreibung über Reiseberichte bis zu Bewerbungsschreiben. Das Tool kann binnen Sekunden ein Geschäftsmodell oder Aufsätze zu jedem wissenschaftlichen Thema schreiben. ChatGPT kann sogar programmieren. Es ist in der Lage, Codes in verschiedenen Programmiersprachen wie Python, Java oder C++ zu erstellen. Das Tool löst komplexe Probleme und kann User in ihrem Alltag und bei ihrer Arbeit unterstützen. Alles auf der Grundlage verfügbarer Daten. Vereinfacht ausgedrückt kann ChatGPT mit seiner speziellen Software das gesamte Internet auslesen und die relevanten Informationen innerhalb von Sekunden analysieren, aufbereiten und präsentieren.
Grenzen einer KI
ChatGPT, genauer sein Sprachmodell im Hintergrund beherrscht sogar die Disziplin der künstlichen Kreativität. Das heißt, es kann erstaunlich schnell aus einem bestehenden Daten-Pool ein Kunstwerk, ein antik anmutendes Gemälde oder eine Klaviersonate entstehen lassen. Es kann Dinge reproduzieren, die Menschen helfen, gefallen oder im Beruf weiterbringen. Wenn jedoch echte Kreativität die Fähigkeit beschreibt, Neues zu erschaffen, eigene Ideen für neue Entwicklungen hervorzubringen, stößt KI bislang an Grenzen. Denn sie ist nicht imstande, nie Dagewesenes zu schaffen oder zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.
Möglichkeiten einer KI
Künstliche Intelligenz birgt ein riesiges Potenzial für Positives. Denn durch ihre Stärken wie Effizienz und Geschwindigkeit kann sie uns Menschen wirkungsvoll entlasten und unterstützen, sodass für uns mehr Kapazitäten für echte Kreativität freiwerden. In der Medizin beispielsweise kann Künstliche Intelligenz als eine Art Assistenzarzt, der niemals Hunger hat oder schlafen muss, behandelnden Ärzten bei Diagnosen unter die Arme greifen. KI durchstöbert dabei weltweit Datenbanken nach bestimmten Kombinationen auftretender Symptome und jeweils erfolgreichen Behandlungsmethoden. Auf derselben Basis kann KI etwa Sachbearbeitern beim Verfassen von Gutachten oder Chemikern bei der Entwicklung neuer chemischer Verbindungen dienen.
Risiken durch die KI
Allerdings leben wir schon heute mit den Risiken der Künstlichen Intelligenz, die beispielsweise in Form von gezielten Desinformationskampagnen KI-gestützter Systeme in den sozialen Medien ausgehen. So kommt es auch immer häufiger bei der Jobsuche oder auf dem Wohnungsmarkt zu Diskriminierungen. Diese betreffen marginalisierte Gruppen, bestimmte Ethnien, aber auch behinderte Menschen. Jeder Fortschritt in der KI wird diese Problematik potenziell vergrößern und beschleunigen.
Keine bloße Utopie
Wissenschaftler des Center for AI Safety (San Francisco, USA) forderten die Politik in einem kürzlich veröffentlichten Brief auf, die „Risiken, die zur Auslöschung des Menschen durch KI“ führen könnten, zu verhindern. Man bedenke: Eine KI, die selbstlernend ist und eigenständig Codes schreibt und ihre eigene Software programmiert, soll alles veranlassen, die Erde zu retten. Es dauert sicher nicht lange, bis die Algorithmen den wahren Schuldigen ermittelt haben. Ein Ergebnis, das uns Menschen nicht gefallen dürfte.
Ohne Zweifel handelt es sich bei dem, was wir heute „fortgeschrittene KI“ nennen, um extrem wirkmächtige Werkzeuge, die die neue Infrastruktur für unser Leben in der Zukunft bilden. Diese werden Veränderungen im planetaren Maßstab mit sich bringen und in bestimmten Bereichen auch großen Schaden anrichten. Über das Ausmaß und den Ausgang dieser Entwicklung entscheiden wir selbst. Deshalb müssen wir jetzt schnell sein und auf nationaler wie internationaler Ebene verbindliche Regeln definieren.
KI-Grundrechtecharta - Die fünf Prinzipien
Aldondra Nelson, Professorin für Sozialwissenschaften in Princeton und Beraterin von US-Präsident Joe Biden hat einen Entwurf für eine KI-Grundrechtecharta vorgelegt.
Der zufolge:
1) muss KI sicher und effizient sein,
2) die Sicherheit privater Daten garantieren und
3) den Schutz vor algorithmischer Diskriminierung gewährleisten.
4) Nutzer müssen darüber aufgeklärt werden, wenn sie es mit KI zu tun haben und
5) es muss eine Alternative geben, wenn jemand nicht mit KI interagieren will.
Punkt vier legt dabei fest, dass zu jedem Zeitpunkt transparent sein muss, wie und warum ein automatisches System zu Ergebnissen und Entscheidungen kommt. Derzeit jedoch werden Technologien entwickelt, die es den Maschinen aus Gründen niedrigerer Entwicklungskosten erlauben, ihre eigenen Betriebssysteme selbst zu schreiben und zu implementieren. Diesem Trend muss mit Regeln begegnet werden. Diese sollten die Zulassung von Produkten und Systemen untersagen, die wir respektive die Entwickler nicht mehr verstehen. Doch aufgrund des erhöhten Testaufwands wird die Entwicklung der KI für die Firmen teurer.
KI unter Aufsicht?
OpenAI-Gründer Sam Altman selbst hat kürzlich dafür geworben, eine internationale Aufsichtsbehörde für KI zu schaffen. Das Problem, das bei einer solchen Behörde im Unterschied etwa zu staatlich getragenen Forschungsinstituten wie der IAEA (Internationalen Atomenergie-Organisation) und der WHO besteht, ist, dass bei der Entwicklung von KI vornehmlich private Unternehmen führend sind. Und die Beispiele erfolgreicher internationaler Kooperationen im Bereich privater Profite und kommerziellen Wettbewerbs sind dünn gesät.
Russland vs. offene, demokratische Gesellschafen
Doch auch staatliche bzw. staatsnahe Player sind in Sachen KI aktiv. Russland beispielsweise überschwemmt das Netz mit gezielten Desinformationskampagnen. Diese werden umso bedrohlicher, je mehr sie mit noch weiter entwickelter KI gefahren werden. Während die Innovationstreiber in den USA und auch in Europa sitzen, ist die Frage entscheidend, wie diese Technologien künftig in offenen, demokratischen Gesellschaften reguliert werden.
Dass es Akteure gibt, die mit der Technologie rund um KI so gar nichts Gutes im Schilde führen, ist eine ständige Herausforderung. Insofern gilt es, eine gewisse Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu finden. Dabei wird manche Regulierung anfangs die ein oder andere Innovation ausbremsen. Andererseits können Regeln diese auch begünstigen. Wenn Regierungen notwendige Vorgaben machen, finden kreative Unternehmen Wege, damit umzugehen. Und das hat enormes Potenzial, Kräfte freizusetzen, die am Ende dafür sorgen, dass unsere Kinder dank Künstlicher Intelligenz in einer besseren Welt aufwachsen.
(Inhouse-Text)
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